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Rechtsprechungsänderung für eigenkapitalersetzende Fin­an­zierungs­hilfen

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Wir haben Sie bereits in der Vergangenheit darüber informiert1, dass aufgrund einer Beitrittsauf­forderung an das BMF ein Grundsatzurteil2 zu den sog. eigenkapitalersetzenden Finanzierungs­hilfen zu erwarten war. Dieses wurde nun durch den BFH veröffentlicht. Die wichtigste Aussage darin lautet: Verluste aus Gesellschafterdarlehen oder Bürgschaftsin­an­spruchnahmen des Gesellschafters sind steuerlich in den meisten Fällen künftig nicht mehr berücksichtigungsfähig.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BFH hat große Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesell­schafters. Der BFH hat angekündigt, in einer Reihe weiterer Fälle (beispielsweise Az.: IX R 5/15, IX R 6/15, IX R 7/15, IX R 51/15, IX R 29/16) demnächst die neuen Grundsätze zu konkretisieren3.

Der Streitfall betraf einen in der Praxis häufig vorkommenden Fall: Der Gesellschafter-Geschäfts­führer einer GmbH trat als Bürge bei einem Darlehen an seine GmbH auf und wurde durch Insolvenz seiner GmbH als Bürge in Anspruch genommen. Im Rahmen des Auflösungsverlustes (§ 17 Abs. 4 EStG) wurden die Bürgschaftszahlungen - entsprechend der bisherigen Rechtslage4 - als nachträgliche Anschaffungskosten - und damit steuermindernd - geltend gemacht. Diese bisherige Behandlung ist künftig nicht mehr möglich und die Bürgschaftszahlungen sind steuerlich nicht mehr berücksichtigungsfähig. Gleiches gilt für als Fremdkapital gewährte Darlehen5, selbst wenn diese in der Krise stehen gelassen werden.

Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG6 ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen, denn nach der neuen Rechtslage sind sämtliche Gesellschafter­finanzierungen im Insolvenzfall gesetzlich zwar nachrangig, aber dennoch kein Eigenkapital und damit keine nachträglichen Anschaffungskosten7. Dies führt zurück zum steuerlichen Grundsatz der Trennung von steuerlich unbeachtlicher Vermögens- und steuerbarer Erwerbssphäre8.

Damit gilt künftig Folgendes:

Den (nachträglichen) Anschaffungskosten der Beteiligung können grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuer­rechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesell­schaft führen9. Darunter fallen insbesondere Nachschüsse i. S. der §§ 26 ff. GmbHG, sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage10, Barzu­schüsse11 oder der Verzicht auf eine noch werthaltige Forderung12. Damit liegt ein Gleichklang zwischen Handels-, Gesellschafts- und Steuerrecht vor13.
Aufwendungen aus Fremdkapitalhilfen wie der Ausfall eines vormals „krisenbedingten“, „krisen­bestimmten“ oder „in der Krise stehen gelassenen“ Darlehens oder der Ausfall mit einer Bürg­schafts­regressforderung führen hingegen grundsätzlich nicht mehr zu Anschaf­fungs­kosten der Beteiligung. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremd­kapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesell­schaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist. Dies kann der Fall sein bei einem Gesell­schafterdarlehen, dessen Rückzahlung auf Grundlage der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen - wie beispielsweise der Vereinbarung eines Rangrücktritts14 i. S. des § 5 Abs. 2a EStG - im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegt wie die Rückzahlung von Eigenkapital15. In einem solchen Fall käme dem Darlehen auch bilanzsteuerrechtlich die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zu16.  
Bei Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze sind Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus einer Gesellschafterbürgschaft unabhängig davon, ob die Bürgschaft krisenbestimmt oder in der Krise der Gesellschaft übernommen worden ist, im zeitlichen Anwendungsbereich des MoMiG grundsätzlich nicht mehr den nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 2 und 4 EStG zuzurechnen17.

Aufgrund der bisher abweichenden Rechtslage gewährt der BFH jedoch einen Vertrauensschutz18 bis zum Tag der Veröffentlichung des Urteils (27.9.2017). Dies ist die erste zeitliche Anwendungs­regelung, die ein Fachsenat des BFH jemals getroffen hat19. Für den Vertrauens­schutz ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Steuerpflichtige die für ihn endgültige wirtschaftliche Disposition getroffen hat. Dies war nach bisherigen Grundsätzen entweder der Zeitpunkt


der Hingabe einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe oder
des Stehenlassens einer Finanzierungshilfe bei Eintritt der Krise.

Lag der jeweils maßgebliche Stichtag vor dem 27.9.2017, gilt die bisherige Rechtslage weiter. So waren im Streitfall beispielsweise die Bürgschaften des Klägers bereits im Zeitpunkt der Hingabe eigenkapitalersetzend.

Praxishinweis

Nach der bisherigen Rechtslage war die Frage des Eigenkapitalersatzes maßgebend20. Dabei war der Zeitpunkt des Krisenbeginns entscheidend. Bei Darlehenshingabe in der Krise lagen sog. eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen vor. Fiel der Gesellschafter mit einer von vorn­herein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe aus, führte dies zu nachträglichen An­schaf­fungskosten in Höhe des Nennwerts des ausgefallenen Anspruchs. Im anderen Fall (stehen lassen in der Krise) war nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegende Wert zu berücksichtigen21. Der bis zum Eintritt der Krise eingetretene Wertverlust fiel in der (steuerlich unbeachtlichen) privaten Vermögenssphäre an22.
Künftig sollte sorgsam abgewägt werden, ob der Weg eines Gesellschafterdarlehens noch beschritten wird. Als Alternative stehen Einlagen (wie Kapitalerhöhungen oder Einlagen in die Kapitalrücklage) zur Verfügung, die als nachträgliche Anschaffungskosten steuerlich geltend gemacht werden können.
Allein aus dem Umstand, dass die Finanzierungsmaßnahme des Gesellschafters zu Gunsten der Gesellschaft einem Fremdvergleich nicht standhält (z. B. wegen der Unentgeltlichkeit einer Bürgschaftsübernahme), ergab sich bisher nicht, dass sie zu funktionalem Eigenkapital und damit im Verlustfall zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. von § 17 Abs. 2 EStG führt23.
Die Finanzverwaltung wendet bislang die alten Grundsätze (vier Fallgruppen Krisendarlehen, krisenbestimmtes Darlehen, Finanzplandarlehen und „stehengelassenes“ Darlehen) trotz Kritik in der Literatur24 bislang weiter an25. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Finanzverwaltung auf die neue BFH-Rechtsprechung zeitnah reagieren wird, zumal das BMF dem Verfahren beige­treten war26.

Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Beschluss v. 11.1.2017 IX R 36/15, BFH/NV 2017 S. 674; BerP 2017 S. 274.
  2.  ]BFH, Urteil v. 11.7.2017 IX R 36/15, juris.
  3.  ]BFH Pressemitteilung 60/2017 v. 27.9.2017.
  4.  ]BFH, Urteile v. 24.4.1997 VIII R 23/93, BStBl 1999 II S. 342; v. 6.7.1999 VIII R 9/98, BStBl 1999 II S. 817; v. 4.11.1997 VIII R 18/94, BStBl 1999 II S. 344; v. 19.8. 2008 IX R 63/05, BStBl 2009 II S. 5.
  5.  ]Trossen, NWB 2017 S. 3040.
  6.  ]Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl 2008 I S. 2026.
  7.  ]BFH, Urteil v. 11.7.2017 IX R 36/15, juris, Rz. 23.
  8.  ]BFH, Urteil v. 11.7.2017 IX R 36/15, juris, Rz. 33.
  9.  ]BFH, Urteil v. 7.1.2016 X R 33/13, BFH/NV 2016 S. 1002, Rz. 46.
  10.  ]BFH, Urteile v. 27.4.2000 I R 58/99, BStBl 2001 II S. 168; v. 14.3.2011 I R 40/10, BStBl 2012 II S. 281.
  11.  ]BFH, Urteil v. 28.4.2004 I R 20/03, BFH/NV 2005 S. 19.
  12.  ]BFH, Urteile v. 11.7.2017 IX R 36/15, juris, Rz. 37; v. 20.4.2005 X R 2/03, BStBl 2005 II S. 694; BFH, Beschluss v. 9.3.1997 GrS 1/94, BStBl 1998 II S. 307.
  13.  ]Trossen, NWB 2017 S. 3040.
  14.  ]Der Rangrücktritt wird voraussichtlich in BerP 1/2018 als Systematikbeitrag näher besprochen.
  15.  ]BFH, Urteil v. 30.11.2011 I R 100/10, BStBl 2012 II S. 332.
  16.  ]BFH, Urteil v. 11.7.2017 IX R 36/15, juris, Rz. 38; BFH, Urteile v. 15.4.2015 I R 44/14, BStBl 2015 II S. 769; v. 10.8.2016 I R 25/15, BFH/NV 2017 S. 155.
  17.  ]BFH, Urteil v. 11.7.2017 IX R 36/15, juris, Rz. 39.
  18.  ]BFH, Beschluss v. 17.12.2007 GrS 2/04, BStBl 2008 II S. 608.
  19.  ]NWB, Online-Nachricht v. 27.9.2017.
  20.  ]BFH, Urteile v. 2.4.2008 IX R 76/08, BStBl 2008 II S. 706.
  21.  ]BFH, Urteile v. 10.11.1998 VIII R 6/96, BStBl 1999 II S. 348; v. 26.1.1999 VIII R 50/98, BStBl 1999 II S. 559; Beschluss v. 15.5.2006 VIII B 186/04, BFH/NV 2006 S. 1472.
  22.  ]BFH, Urteile v. 6.7.1999 VIII R 9/98, BStBl 1999 II S. 817; v. 7.12.2010 IX R 16/10, BFH/NV 2011 S. 778.
  23.  ]BFH, Urteil v. 22.4.2008 IX R 75/06, BFH/NV 2008 S. 1994.
  24.  ]Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 36. Aufl., § 17 Rz. 174;; Hölzle, DStR 2007 S. 1185; Bode, DStR 2009 S. 1781; Moritz, DStR 2014 S. 1636; Fuhrmann/ Potsch, DStR 2012 S. 835.
  25.  ]BMF, Schreiben v. 21.10.2010 IV C 6-S 2244/08/10001, BStBl 2010 I S. 832.
  26.  ]BerP 2017 S. 274; BFH, Beschluss v. 11.1.2017 IX R 36/15, BFH/NV 2017 S. 674.

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