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Aufsichtsrat nicht zwingend Unternehmer

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Gericht / Az:
BFH, Urteil vom 27.11.2019 V R 23/19
Fundstelle:
juris
Gesetz:
§ 2 Abs. 1 UStG
Streitfrage:
Ist ein Aufsichtsrat Unternehmer i. S. des Umsatzsteuerrechts?

Bisherige Rechts­lage

In seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 2 Abs. 1 UStG hat der BFH die Tä­tig­keit als Mitglied eines Aufsichtsrats einer AG als selbständige - und damit unternehmerische - Tätigkeit eines Unternehmers angesehen1, ohne dabei nach der weiteren Ausgestaltung oder den Begleitumständen dieser Tätigkeit zu unterscheiden. Diese Auffassung musste der BFH nun aufgrund eines vor­an­ge­genanen EuGH-Urteils2 zumindest teilweise revidieren. Demnach gilt nun Folgendes:

Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Fest­ver­gü­tung kein Vergütungsrisiko, ist es entgegen bisheriger Recht­spre­chung nicht als Unternehmer tätig.

Praxishinweise

Ein Unternehmerrisiko sah der BFH nicht, weil im Besprechungsfall die Ver­gü­tung pauschal 20.000 € jährlich betrug, unabhängig von der auf­ge­wen­de­ten Zeit.

Festvergütung ist kein Risiko

Der BFH trifft explizit keine Aussage zur Frage, was im regeltypischen Fall passiert, wenn die Auffsichtsratvergütung variabel ist (z. B. Sit­zungs­gel­der). U. E. ist sodann von einem Unternehmer auszugehen.

Variable Vergütung = Unternehmer?

Bis zu einer Änderung der Verwaltungsauffassung können Sie auch wei­ter­hin davon ausgehen, dass Aufsichtsräte mit variablen Vergütungen Un­ter­neh­mer sind. Aufgrund der Aussage in Abschn. 2.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE herrscht aktuell noch Vertrauensschutz.

Aktuell noch Ver­trauensschutz

Momentan umfasst der Vertrauensschutz auch noch Aufsichtsräte mit festen Vergütungen. Wir erwarten hier jedoch, dass die Verwaltung die Rechtsprechung umsetzen wird.
Ein Unternehmerrisiko sah der BFH im Besprechungsurteil beim Auf­sichtsrat auch deshalb nicht, weil selbst fahrlässiges Handeln keinen Ein­fluss auf seine Vergütungshöhe hat. Die Verantwortlichkeit nach § 116 AktG und eine daraus resultierendes Haftungsrisiko sei für das Un­ter­neh­mer­risiko unbedeutend.

Kein Unterne­hmer­risiko

Die Grundsätze des Besprechungsurteils lassen sich u. E. auch auf Ver­wal­tungs­rä­te etc. übertragen.
Ertragsteuerlich sind Aufsichtsräte i. d. Regel unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu subsumieren. Das Besprechungsurteil hat hierauf u. E. keine Aus­wir­kung.

Ertragsteuer

§ 14c UStG ist nicht einschlägig

Aus praktischer Sicht ist auch eine weitere und unerwartete Aus­sa­ge des Be­sprechungsurteils erfreulich: Ist eine Gutschrift nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt, steht sie einer Rechnung nicht gleich und kann keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG be­gründen.

C2B kein § 14c UStG

Für die Praxis ist dies von enormer Bedeutung, denn hat ein Aufsichtsrat bis­her fälschlicherweise Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, entfällt für ihn die Be­rich­ti­gungs­pflicht nach § 14c UStG.

Praxishinweis

B2C führt zu § 14c UStG

Bei Rechnungen vom Unternehmer an Nichtunternehmer ist § 14c UStG je­doch einschlägig3.


Fußnoten anzeigen


  1.  ]BFH, Urteile v. 27.7.1972 V R 136/71, BStBl 1972 II S. 810; v. 2.10.1986 V R 68/78, BStBl 1987 II S. 42; v. 20.8.2009 V R 32/08, BStBl 2010 II S. 88.
  2.  ]EuGH, Urteil v. Urteil 13.6.2019 C 420/18 (IO), BFH/NV 2019 S. 1053.
  3.  ]BFH, Urteil v. 13.12.2018 V R 4/18, BFH/NV 2019 S. 369; BerP 11/2019 S. 700.